Vorsicht, Falle!
Ich weiß nicht, warum das so ist, aber im Englischen werden so viele schöne und treffende Bezeichnungen für die unterschiedlichsten Dinge des modernen Alltags erfunden — Gender Care Gap, Framing, Derailing oder Mental Load.
Mütter denken immer mit
Vor allem letzteres ist in letzter Zeit mein feministisches Herzensthema. Wenn ich unter meinen Freundinnen das Gespräch auf Mental Load bringe, muss ich das Konzept vielen erst erklären. Obwohl … das stimmt nicht ganz. Ich deute nur kurz an, was damit gemeint ist und alle nicken sofort wissend. Mental Load ist das permanente Mitdenken, das Mütter verinnerlicht haben: Passen die Hausschuhe in der Kita noch, sind die Zehennägel wieder fällig fürs schneiden und reichen die Vigantoletten noch durch den Winter? Diese Denkarbeit läuft still und effektiv im Hintergrund, so dass niemand bemerkt, dass sie überhaupt erledigt wird. Gleichzeitig ist sie eine Belastung, denn es kostet Zeit und Nerven, ständig auf Zack zu sein.
Sorgestress? Verantwortungsfalle!
Ich habe lange über einer guten Übersetzung für Mental Load gebrütet. Kognitive Arbeit? Erinnerungslast? Sorgestress? Alles trifft es ein bisschen, aber ich finde nicht genug. Schließlich bin ich bei dem Begriff Verantwortungsfalle hängen geblieben. Das ist gewiss nicht so neutral wie Mental Load — aber ich fühle mich bei dem Thema auch gar nicht neutral.
Qua Naturgesetz zuständig
Vor allem sehe ich beim Mental Load zwei Aspekte. Da ist zum einen die Verantwortung fürs Kind. Was auch immer die Gründe dafür sein mögen — Mütter sind immer und qua Naturgesetz für ihren Nachwuchs zuständig. Dafür müssen sie nicht einmal in der Nähe sein. Unvergessen, wie eine Verwandte meines Partners pikiert erwähnte, dass er vor vielen Jahren mit seinen ungekämmten Töchtern auf einem Familienfest gewesen ist und dafür seine Ex-Frau verantwortlich machte, obwohl die hunderte Kilometer entfernt war und so absolut gar keinen Einfluss auf die Erscheinung ihrer Kinder hatte.
Sorgearbeit unterm Radar
Aber diese eingebaute Verantwortung ist mehr als nur eine Belastung. Und das ist für mich der zweite zentrale Aspekt: Es ist auch eine Falle. Weil der Mental Load nicht mit Tam-Tam und Tschingerassa daherkommt und alle sofort aufspringen und applaudierend auf den Balkon rennen. Weil wir Frauen oft selbst nicht realisieren, was wir da tagtäglich an Sorgearbeit unterm Radar leisten, sondern uns nur wundern, warum wir am Ende des Tages so erschöpft sind. Und weil wir entsprechend keinen Ausgleich einfordern. Wir könnten die Aufgaben des Mental Load ja auch gegen andere notwendige Arbeiten aufrechnen wie Geschirrspüler ausräumen oder dem Kind die Zähne putzen (mit der Lieblingszahnpasta vom Kind, an die die Mutter gedacht hat, als sie letzte Woche im Angebot war).
Die Falle schnappt zu
Und der Mental Load ist auch deshalb Falle, weil wir Frauen in vielen Situationen nicht erkennen, wie wir uns selbst in die Situation bugsieren, immer im Dienst zu sein, und die Falle immer weiter zuschnappen lassen. Denn solange wir verlässlich im Hintergrund rödeln, nimmt der Partner gar nicht wahr, warum der Laden wie geschmiert läuft. Es gibt für ihn ja auch nix zu tun — wer reißt schon der Wache das Ruder aus der Hand, wenn der Kurs stimmt? Im Gegensatz dazu merke ich, wie ich immer wieder meinem Partner ins Steuer greife, wenn er Dienst hat und es mit dem Kind nicht hundertprozentig so läuft, wie ich es für richtig halte. Und die Mutti hat ja immer Recht, gelle?
Einsicht ist der Weg
Doch was hilft? Wie immer Selbsterkenntnis und Reden. Reden, reden, reden. Das Unsichtbare sichtbar machen. Ansprechen, an was gedacht werden muss. Und auch darauf hinweisen, was erledigt worden ist. Anerkennung einfordern. Dass der Partner dann seinerseits auf sein Mitdenken in anderen Familienbereichen verweist (bei uns ist das ganz klassisch das Auto) — umso besser. Dann nehmen wir uns alle besser wahr. Für uns Frauen: Auch mal laufen lassen. Leute, die mich näher kennen, werden jetzt wahrscheinlich mit erhobener Augenbraue trocken hüsteln. Ja, ja, ich sehe inzwischen doch auch, wo ich selbst meine Verantwortungsfalle aufstelle, wenn ich checke, ob mein Mann die Hände vom Kind gründlich genug eingecremt hat. Aber ich arbeite an mir. Versprochen. Und die Männer? Mischt Euch ein und fordert, einbezogen zu werden. Und bloß nicht darauf warten, dass die Partnerin Arbeitsaufträge erteilt — egal wie brav man die abarbeitet: damit beendet man(n) den Mental Load nicht. Vielmehr wird er verfestigt, weil die Frau immer noch die ganze Denkarbeit leistet, während der Mann denkt “Alles im Lack, wir teilen uns doch die Arbeit!”.
Es bleibt knifflig. Aber bloß nicht aufgeben. Ein verkorkstes System bei laufendem Betrieb umzubauen ist mühsam, langwierig und voller Rückschläge.
Stay strong.