Muttertag
Ich finde den Muttertag ehrlich gesagt bescheuert. Netter kann ich es nicht formulieren. Ich fühle mich durch den Muttertag geradezu belästigt und für dumm verkauft.
Den Rest des Jahres schnuppe
An 364 Tagen im Jahr sind der Gesellschaft die Belange der Mütter mittelschwer schnuppe. Aber an diesem einen Tag werden Mütter plötzlich aufs Schild gehoben und alle machen reflexhaft mit. Was für eine elende Heuchelei.
Halleluja, ich bin Mutter
Dabei bin ich wirklich gerne Mutter. Ich habe sehr, sehr lange darauf warten müssen, Mutter zu werden und es macht mich unbeschreiblich glücklich, dass ich es jetzt bin. Mein Kind ist inzwischen in der Grundschule und ich erlebe immer noch Momente, in denen ich Pipi inne Augen kriege, wenn ich mein Kind fröhlich über den Spielplatz toben sehe. Dann danke ich im Stillen meiner Schöpferin, dass ich spät und unerwartet noch Mutter eines grandiosen Kindes werden durfte. Halleluja!
Mutterkreuz-Mentalität
Vielleicht ist es sogar diese emotionale Schere, die den Muttertag für mich so schwer zu ertragen macht — mein großes persönliches Glück einerseits, die beschissene Situation von Frauen und Müttern in diesem Land andererseits — sei es Lohnschere, Rentenlücke, Gender-Care-Gap, Ehegattensplitting oder Mutterkreuz-Mentalität.
Kult und Ignoranz
Mütter reißen sich tagein, tagaus ein Bein aus und werden dann damit abgespeist, dass sie am Muttertag Frühstück ans Bett und Blumen von der Tankstelle bekommen. Diese Mischung aus Kult und Ignoranz gegenüber Müttern manifestiert sich nirgends so unverhohlen wie am Muttertag. Dadurch steht dieser “Ehrentag” für mich für so ziemlich alles, was ich am Mutter sein belastend finde.
Einmal jährlich rumschleimen
Es entspannt die Lage in unserem Haushalt, dass mein Mann bei diesem Budenzauber nicht mitmacht. Zum einen, weil er um meinen dumpfen Groll auf diesen Tag weiß. Und zum anderen hat er es auch nicht nötig, an diesem einen Sonntag im Mai rumzuschleimen, weil wir uns den Rest des Jahres die Sorgearbeit aufteilen.
Ich brauche kein “Danke Mutti”
Dass mein Mann aktuell zwei Jobs hat und ich keinen, führt dazu, dass ich momentan deutlich mehr Sorgearbeit erledige. Das ist nur logisch, aber dadurch stecke ich tiefer in der Mutti-Rolle, als mir lieb ist. Wahrscheinlich sträube ich mich dieses Jahr deshalb noch heftiger als sonst gegen diese Dankbarkeits-Getue.
Muttertagsbasteleien
Bleibt mein Kind, das mit viel, viel Herzblut alljährlich in Kita und Schule eine Überraschung zum Muttertag bastelt. Letztes Jahr ist das pandemiebedingt ausgefallen und ich habe es nicht vermisst.
Der Enthusiasmus rührt mich
Dieses Jahr gab es eine selbst gebastelte Karte samt von der Lehrerin diktiertem Gedicht. Mein Kind war ganz aus dem Häuschen und hat mir die Karte direktemang am Freitag nach der Schule in die Hand gedrückt, weil es das nicht ausgehalten hat, bis zum Sonntag zu warten. Und natürlich bin ich dann gerührt. Wer kann sich schon dem Enthusiasmus einer 8‑Jährigen entziehen?
Echtes Mutterglück
Und dann bin ich tatsächlich wieder an dem Punkt, der mich als Mutter glücklich macht: bei meinem Kind und seiner bedingungslosen Liebe und Lebensfreude. Und dieses Glück werde ich mir von dem Muttertags-Gedöhns nicht vermiesen lassen.
Stay tuned.
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