To school or not to school
Neuerdings bin ich vermehrt bei Twitter unterwegs, wenn ich abends krumm über meinem Smartphone hocke. Und dort wird heftig über die Frage diskutiert, ob und wie Unterricht in der Schule in diesen Zeiten stattfinden soll.
Wobei dieses Thema vor allem in der virtuellen Welt hochkocht. In meinem Freundeskreis und bei den Elternrunden auf dem Spielplatz, in denen ich bevorzugt rumstehe, ist die Erleichterung über die offenen Schulen einhellig groß. Und das hängt nicht nur damit zusammen, dass alle froh sind, weiter arbeiten zu können und den Schulunterricht den Profis zu überlassen.
Um unzufrieden Eltern mache ich einen Bogen
Sicher, vieles könnte besser laufen in der Schule. Aber mit der Personaldecke und der aktuellen Ausstattung können wir schon froh sein, dass es überhaupt läuft. So hat unsere Schule zum Beispiel die digitale Vernetzung in den letzten Wochen ausgebaut. Ich weiß, dass es auch genug unzufriedene Eltern gibt. Aber um die mache ich intuitiv einen Bogen, wenn ich morgens die schlechte Stimmung vorm Schultor wittere. Durch meckern wird die Lage nicht besser, nur meine ohnehin schon angefressene Stimmung mieser.
Ich bin eine bekennende Glucke
Wir Eltern müssen alles dafür tun, dass der Laden läuft. Ich fahre meine Sozialkontakte runter, damit meine Tochter ihre behalten kann. Die Kinder müssen mehr Mundschutz in der Schule tragen? Dann besorgen wir ein paar dazu, damit sie häufiger am Tag wechseln kann. Falls die Ansage kommt, dass die Kinder mit Pudelmütze und Thermounterwäsche im Unterricht sitzen müssen, damit auch in der kalten Jahreszeit genug gelüftet werden kann, werde ich auch das besorgen. Ich bin — als bekennende Glucke — der festen Überzeugung, dass es für mein Kind besser ist, dick eingepackt in einem kalten Klassenraum mit seinen Leuten zu sitzen, als wieder wochenlang mit uns Eltern in der mollig warmen Bude zu hocken.
Bislang hat das Virus nicht die Runde gemacht
In der Schule von meinem Kind hat es inzwischen zwar mehrfach Corona-Alarm gegeben. Aber bislang hat das Virus dann nicht die Runde gemacht. Was medizinisch keinen Sinn macht und allem widerspricht, was wir als Eltern mit Scharlach und Läusen in der Kita erlebt haben. Ich erinnere mich noch, als mein Kind in der Krippe war und die Hand-Mund-Fuß-Krankheit in der Einrichtung ausbrach. Da war die Kita schneller durchseucht, als wir “Ach du Scheiße” sagen konnten. Alle waren krank — die Kinder, die Erzieherinnen und wir Eltern auch.
Corona hat viel Rätsel
Warum eine so ansteckende Krankheit wie Corona in Grundschulen und Kitas anders wandert, ist eines der vielen Rätsel von Corona. Vielfach wird damit argumentiert, dass zu wenig Kinder getestet werden und die Infektion symptomfrei überstehen und damit nicht in der Statistik auftauchen. Das könnte Grund sein, aber als jüngst eine Lehrerin meines Kindes positiv auf Corona getestet wurde, war keines von den getesteten Schulkindern positiv. Mein Kind inklusive. Und können so viele Kinder symptomfrei Corona haben, ohne dass auffällig viele Eltern, Onkel und die Oma krank werden? Bis zum Wellenbrecher Shutdown haben wir doch viele von uns wieder recht großzügig soziale Kontakte gehabt. Da müssten die über die Schule in die Familie eingeschleppten Infektionen doch bei Erwachsenen gelandet sein, die dann krank geworden wären?
Isolation ist schädlicher als Präsenzunterricht
Ich suhle mich im Konjunktiv. Wäre, könnte müsste … Ich kann doch auch ganz offen sagen: Ich bin heilfroh, dass mein Kind in die Schule geht und habe keine Zweifel, dass auch in der Pandemie Präsenzunterricht für mein Kind weniger schädlich ist, als Homeschooling und Isolation zuhause.
Denn in der Schule passiert so viel mehr ist als nur die Vermittlung von Wissen. Für mein Kind ist Schule der Ort, wo es seine Kumpel trifft und Sozialverhalten trainiert. Wo es lernt, sich mit mit Gleichaltrigen zu streiten und wieder zu vertragen. Als Nesthäkchen später Eltern erlebt meine Tochter in Schule und Hort, dass es Orte gibt, an denen sich nicht alles um sie dreht. An denen sie sich einfügen und auch mal hinten anstellen muss. Sie muss andere Autoritäten als uns Eltern anerkennen und auch aushalten, wenn sie die doof findet. Mein Kind trainiert Frust verdauen und selbstständig werden. Das alles kann Zuhause nicht passieren.
Das Kind wächst nicht an den Eltern
Meine Tochter hat die Zeit im ersten Lockdown rund um die Uhr mit uns Eltern auf der Pelle durchaus genossen. Aber an uns wachsen kann sie nicht. Und ich finde sie deutlich ausgeglichener, seit die Schule nach den Sommerferien wieder angefangen hat.
Werde ich das alles anders sehen, falls die Schule zum Hotspot werden würde und dadurch Menschen in unserer Familie erkrankten? Womöglich. Aber ich wollte mich ja vom Konjunktiv fernhalten.
Schule ist ein Fixpunkt, der uns als Familie in diesen wahnsinnigen Zeiten einen Rest von Alltag und Normalität ermöglicht. Und ob das uns noch eine Weile erhalten bleibt, darüber entscheidet das Verhalten von uns Erwachsenen.