Sauber und diskret
Gerade gibt es ja viel Aufregung um einen Deal aus der “Höhle der Löwen”. Zwei Männer haben dort “Pinky Gloves” vorgestellt. Einen elegant verpackten pinken Gummihandschuh, mit dem frau ihre benutzten Menstruationsartikel möglichst unauffällig entsorgen soll.
Für Menstruationswäsche kein Deal
Darauf hat die Damenwelt gewartet. Nicht. Denn an “Pinky Gloves” ist so ziemlich alles falsch. Der überflüssige Müll und die zusätzlichen Kosten sind fix abgewatscht: Das braucht kein Mensch. Auch dass 2019 in der gleichen Sendung die Gründerinnen, die Menstruationsunterwäsche beworben haben, keinen Deal bekommen haben, ist ebenfalls ein Unding. Nachhaltigkeit, an der offensiv Blut klebt, findet keinen Investor.
Diskret und feminin
Am meisten triggert mich an dieser Geschichte, dass da zwei Männer Fernsehzeit und Aufmerksamkeit bekommen, die es für eine Bombenidee halten, uns Frauen eine Anleitung zu geben, wie wir unsere Menstruationsprodukte diskret und dazu noch in femininen Farben entsorgen können.
Bloß nicht vom bluten reden
Es ist ja nicht so, dass wir Frauen bislang unsere benutzten Binden und Tampons gut sichtbar vor uns hertragen und damit durch Großraumbüros und über Schulflure paradieren. Wenn wir Frauen auf irgendetwas geeicht werden (wie unsere Mütter vor uns, und Großmütter und Urgroßmütter und …), dann darauf, wie wir unsere benutzten Binden und Tampons so unauffällig wie nur irgend möglich entsorgen. Stichwort: “Sauber und diskret”. Und bitte bloß keinen Geruch. Wir Frauen haben für unsere Periode mehr Ausdrücke als Inuit für Schnee, nur damit wir nicht bloß “bluten” oder “menstruieren” sagen müssen.
Tante Rosa im Schlepptau
Und ja, wenn wir gerade unsere Tage haben und in der kritischen Zeit auf eine Party in einer Datsche ohne Klo eingeladen werden, dann machen wir uns vorher reichlich Gedanken darüber, wie wir den Abend mit Tante Rosa im Schlepptau organisieren, ohne dass wir sichtbar durchbluten oder unsere Tampons in die Rabatten werfen müssen. Dafür brauchen wir 2021 echt nicht zwei rotwangige Bundeswehrsoldaten im Polohemd, die uns erklären, wie es gemacht wird.
Würde wahren
Ich erinnere mich an eine anstehende Party ohne Toilette, auf der ich als junge Frau war. Die Rote Armee war im Busch und ich bin tatsächlich ganz von allein darauf gekommen, mir Tampons mit Einführhilfe, Tütchen und Plastikhandschuhe einzupacken, damit ich den Abend in Würde überstehen und ohne Blut an meinen Fingern ins Buffet langen kann. Und ich wage die Aussage, dass sich die ganzen Männer auf der Party, die unbekümmert ins Gebüsch gepinkelt haben, nicht so viele Gedanken darüber gemacht haben, was sie eigentlich noch mit ihren Händen anfassen sollten, die gerade vorher einen urinierenden Penis gehalten haben.
Wildpinkeln ohne Hände waschen
Das war in einer der zahlreichen Diskussionen um Pinky Gloves übrigens eine schöne Anregung: Warum haben die findigen Gründer eigentlich keine blaue Handschuhe präsentiert, die die Männer anziehen können, die sich zum wildpinkeln an die Rastplatzzäune auf der Autobahn stellen? Händewaschen ist da ja in der Regel nicht möglich, trotzdem wird danach munter in die Butterkekspackung gelangt.
Scham über Tampons
Ich bin noch damit aufgewachsen, meinen Besuch aus Rotenburg so unauffällig wie möglich zu gestalten. Als ich ein Teenager war und meine Mutter beim Schreiben vom Einkaufszettel gefragt hat, ob sie Tampons für mich mitbringen soll, während mein Vater dabei saß, wäre ich vor Scham fast im Erdboden versunken. Oder wie ich in der Schule einen Tampon aus der Schultasche gefriemelt und dann möglichst unauffällig in die Hosentasche bugsiert habe. Ein Mädchen erzählte sogar einmal, dass sie sich ihre Binden morgens unter der Jeans in die Strümpfe steckt, damit sie genau so eine Friemelei vor der Klasse nicht hat. Ich war schon Ende 20, als ich auf der roten Welle gesurft habe, und im Schlecker um die Ecke von meiner Arbeit Tampons gekauft habe. Plötzlich stand mein Vorgesetzter hinter mir und hat meinen Einkauf gesehen. Und auch wenn es mich damals geärgert hat, es war mir peinlich.
Diskrete Entsorgung
Die holländische Brottütenpackung vom Bild oben ist übrigens mein aktueller Notbehelf für eine Ferienwohnung, in der meist viele Leute sind und kein Abfalleimer im Bad. Und ja, wenn ich mein Geschichtchen habe, entsorge ich meine benutzten Tampons erst in diese Tüten, bevor ich sie über den Flur Richtung Küche in den Müll bringe. Ich habe bis kurz vor der Menopause gebraucht, auch dann gelassen zu bleiben, wenn mich auf dem Weg zum Mülleimer ein Onkel auf dem Flur anquatscht. Mein jüngeres Ich wäre mit der Tüte und dem darin noch spürbar warmen Tampon in der Hand sicher hektisch geworden.
Mansplaining über Menstruation
Mich ärgert kolossal, dass diese beiden Typen (und ihr männlicher Investor) tatsächlich glauben, dass wir Frauen das Problem, für das die beiden — ta-daa — eine wertig verpackte Lösung präsentieren, nicht schon tausendfach vor ihnen auf kreative Weise gelöst haben, wenn die Maler im Keller waren. Da hätten die echt ein paar hundert Jahre früher aufstehen müssen, um eine echte Hilfe zu sein. Und nein, es ist nicht automatisch progressiv, wenn sich zwei Männer öffentlich mit der Erdbeerwoche beschäftigen. Im Gegenteil. Das ist die Mutter oder besser der Vater des Mansplaining. Und ihre Geschäftsidee setzt einmal mehr auf das alte Tabu Menstruation. Hauptsache sauber und diskret. Koste es, was es wolle. Und bitte in Pink.
Ich blute wie ein Schwein
Mich haben schon immer Frauen beeindruckt, die offen damit umgegangen sind, wenn sie ihre Regel hatten. Unvergessen eine Kollegin, die im Büro meinte “Boah, mir geht es mies heute. Ich blute wie ein abgestochenes Schwein”. Da waren selbst die schlagfertigeren männlichen Kollegen etwas betreten und ich voller stiller Bewunderung.
No Period Shaming
Die Gründer von Pinky Gloves mögen sich für modern halten, aber alles an ihrer Idee ist sooo last century. Denn schon länger bahnt sich über die Bewegung der Body positivity und Selbstliebe auch eine größere Akzeptanz der weiblichen Körperfunktionen an. Und dabei ganz zentral die Akzeptanz der Menstruation. Stichwort: Period positivity bzw. Aktivismus gegen Period shaming. Wir Frauen sind da schon viel, viel weiter, meine Herren. Ich sage nur: Period power!
Menstruation gehört zu mir
Und es ist ja geradezu von bestechender Logik: Warum um alles in der Welt sollte ich mich als Frau auch nur eine Sekunde lang für etwas wie meine Menstruation schämen, die ein so elementarer und geradezu existenzieller Teil von mir ist?* Bloß weil uralte von Männern geschriebene Bücher behaupten, das sei unrein? Und wir uns an diese Behauptung gewöhnt haben?
Alte Muster sind mächtig
Aber ich gebe auch zu: Ganz frei bin ich von den alten Mustern noch nicht. Als ich überlegt habe, wie ich diesen Artikel bebildere, hatte ich die Wahl zwischen den Boterham Zakjes und einem Plakat mit einem benutzten Tampon darauf, das ich allerdings bei Twitter geteilt habe (siehe hier) Für den Blog habe ich tatsächlich das harmlosere Bild genommen. Aber ich arbeite an mir. Versprochen.
*Eine Bemerkung ist mir noch wichtig: Ich schreibe hier in erster Linie über mich und was mein Erleben betrifft. Insofern schreibe ich auch von Frauen und nicht von menstruierenden Menschen. Mir ist bewusst, dass nicht nur Frauen menstruieren. Und dass es auch Frauen gibt, die noch nie menstruiert haben. Das ist jedoch ein komplett anderes Thema und nicht meins.
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