In der Faschingsfalle
In meinen Träumen bin ich ja die gereifte gelassene Mutter, an der der viel beklagte Leistungsdruck wie ein an einem Lotosblatt sauber abperlt. In der Realität tappe ich allerdings immer wieder in die Super-Mutti-Falle. Gerade erst wieder – wie kann es anders sein – an Fasching.
Ich war so smart
Beim ersten Fasching in der Krippe war ich noch ganz locker. Ich hatte mit wenigen Stichen eine Nummer auf einen roten Pullover angeheftet. 176–617, das hatte ich extra recherchiert. Fertig war der Panzerknacker. Geschminkt werden wollte meine Kleine damals nicht, sie kann das immer noch nicht leiden. Die richtig coolen Mütter haben das Kostüm natürlich trotzdem sofort erkannt. Nach dem Fasching die Nummer fix wieder abgemacht und den Pullover weiter benutzt. Was war ich smart.
Stunden an der Nähmaschine
Das Jahr drauf war ich schon ambitionierter und habe, obwohl ich nicht wirklich nähen kann, ein wahnsinnig niedliches Schäfchenkostüm genäht. Ein Hängerchen mit kleinem Wackelschwänzchen in fluffigem weißen Stoff (der auch noch den schief umgenähten Saum kaschierte). Dazu ein Mützchen mit dunklen Öhrchen. Herzallerliebst. Das Hängerchen hat meine Kleine noch angezogen, aber die Mütze hat sie gehasst. So richtig. Sie wollte sich nicht einmal damit fotografieren lassen. Zwei Abende an der Aldi-Nähmaschine geschwitzt und dann nicht mal ein Foto für Facebook! Was hätte ich dafür an Likes bekommen … Na ja, Schwamm drüber.
Die Schäfchenkostüm-Erfahrung hatte mich nachhaltig runtergekühlt und dazu passte der Kostümwunsch meiner Kleinen im folgenden Jahr: Sie wollte sich als Schmetterling verkleiden. Das war schnell gemacht: Bei ebay lila Flügel bestellt, ein bisschen was Buntes zum Anziehen dazu – Fertig ist die Laube. Dummerweise bekam meine Kleine an Fasching Scharlach. Das Leben kann so fies sein. Sie ist zuhause mit ihren Flügeln herumgelaufen, aber es war einfach nicht dasselbe.
Ich schwöre bei Simone de Beauvoir
Ich denke es ist das Mitleid mit meiner Kleinen und dem verpassten Fasching aus dem Scharlachjahrgang, das in diesem Jahr meine Ambitionen hat wieder hochkochen lassen. Sie wollte als Pippi Langstrumpf zum Fasching gehen und ich schwöre bei Simone de Beauvoir, dass sie da wirklich von allein drauf gekommen ist. Aber natürlich war ich mit ihrer Wahl zufrieden und leicht zu machen war das Kostüm auch noch: Eine zweifarbige Strumpfhose hatte sie schon, ich würde ihr ein Paar Zöpfe mit Pfeifenreinigern verstärken (ausführliche Google-Recherche) und ein grünes oder gelbes Hängerchen würde sich schon in einem der Second-Hand-Läden im Kiez auftreiben lassen. Alles easy. Dachte ich zumindest.
Haare gerauft und verzweifelt
Doch so richtig easy wurde es nicht. Erst habe ich kein Hängerchen gefunden, bin dann vergebens stundenlang durch den durch den örtlichen Second-Hand-Laden gestreift, um ein billiges Oberteil zu finden, das ich ohne allzuviel Arbeit umnähen kann. Dann ebenda ein viel zu großes Pippi-Langstrumpf Kostüm für 95 Cent erstanden, beim enger und kleiner nähen schwer gescheitert. Dann noch mal Oberteile zum umnähen gesucht, dabei im Kik passende Pippi-Kostüme gefunden, aber zu stolz gewesen, um eins mitzunehmen. Schließlich ein halbwegs passendes Oberteil gefunden, stundenlang ausgemessen, zugeschnitten, Haare gerauft, abgesteckt,
Die Super-Mutti
Und während ich beim Einfassen der Ärmel madonnengleich vor Anstrengung Blut weinte, hämmerte in meinem Kopf immer lauter die Frage, für wen ich das alles eigentlich mache. Für mein Kind gewiss nicht. Die Kleine interessiert es nicht die Bohne, ob ich stundenlang unter Fluchen und Jammern nähe, oder ob ich ein Kostüm kaufe. Gekauftes finden Kinder eh viel toller. Ich mache es für mich. Um mich doch als Super-Mutti fühlen zu können, die nicht nur sooooo gelassen ist, sondern bei der auch noch alles so perfekt läuft, dass es kaum zum aushalten ist. Nur, dass die Nähmaschine so ziemlich der allerletzte Ort ist, um mir dieses Gefühl zu verschaffen. Also: Nähmaschine ausgeschaltet, Tee gekocht, meine Grenzen anerkannt, Mann angetextet, er möge später mit dem Kind ein passendes Kostüm kaufen und mich darüber gefreut, dass ich das Wochenende mit erbaulicheren Dingen verbringen kann.
Am Fasching ist meine Kleine begeistert mit ihrem Kostüm das Pippi-Langstrumpf-Lied singend in den Kindergarten gehopst. Leider wollte sie weder Draht in die Zöpfe, noch die Haare mit oranger Farbe angesprüht bekommen und schon gar nicht aufgemalte Sommersprossen. Aber sie fand ihr Kostüm sehr gelungen. Und dann finde ich das auch.