Ick wer zun Hulk
Die Wochen und Monate mit Corona haben viele Gefühle in mir ausgelöst. Unsicherheit, Angst, Erschöpfung, Langeweile und Wut. In letzter Zeit vor allem Wut.
Niedrige Erwartungen
Jeden Tag, an dem die Infektionszahlen weiter steigen, droht diese Wut ein kleines bisschen mehr überzukochen. Am Montag soll das neue Schuljahr beginnen. Im letzten Halbjahr war ja reichlich Luft nach oben, was das Covid-Krisenmanagement der Schulen betraf. Dementsprechend habe ich geringe Erwartungen, dass es für den so genannten “Normalbetrieb” nach den Ferien unter Covid-Bedingungen irgendeinen Plan gibt, geschweige denn einen guten.
Es ist aber nicht die Situation an der Schule, die mich sauer macht. Die Schulen müssen mit ihrer provinziellen Ausstattung einer weltumspannenden Pandemie die Stirn bieten. Seit ich im weiteren Bekanntenkreis mitbekommen habe, dass auch Justiz und Ministerien mit grotesk mieser digitaler Ausstattung in die Krise gestolpert sind, bin ich da tatsächlich etwas milder.
Kirchen und Kneipen sind Hotspots
Und bislang waren Schulen und andere Einrichtungen für Kinder keine Covid-Hotspots — im Gegensatz zu Kirchen, Kneipen und Familienfeiern. Auch wenn die Aussagekraft der aktuellen Studie aus Sachsen begrenzt ist, verstärkt sich der Eindruck, dass Schulen und die Kinder nicht das brennendste Problem in dieser Pandemie sind. Es deutet vielmehr einiges darauf hin, dass Kinder ohne Schulbesuch einen größeren Schaden nehmen als mit.
Vade retro, Maske-unter-der-Nase-baumler!
Wo ich aktuell zum Hulk werden könnte, sind die Situationen, in denen Erwachsene die simpelsten Covid-Regeln missachten, die mein Kind seit Monaten auswendig kennt. Leute, die ohne Maske in Geschäften rumlaufen (und laufen gelassen werden). Friseursalons, wo keine Sau eine Maske trägt. Die Maske-unter-der-Nase-baumler, die mir an der Kasse auf die Pelle rücken. Vade retro satana! Wenn ich die Leute dann bitte, wenigstens Abstand zu halten, kassiere ich ein Augenrollen. Noch belasse ich es bei höflichen Belehrungen, aber ich spüre, wie der Groll in mir anschwillt und ich unter der Dusche an Wutreden feile. Wir reißen uns hier seit Monaten den Arsch auf, verkneifen uns alles mögliche, zig Existenzen sind ruiniert oder stehen kurz davor — und weil ein paar Ignoranzbolzen zu bequem sind, mal für ein paar Minuten eine Maske über die Nase zu ziehen (ja, genau, die Nase auch!), hocken wir noch vor den Herbstferien im nächsten Lockdown, wenn es richtig schlecht läuft! Schnauf … schnauf … grrrrrruaaaaaarrrrrrrh!
Mitdenken? Ham wa nich
In der BVG hat sich die Maskendisziplin übrigens spürbar verbessert, seit Bußgelder kassiert werden. Was einmal mehr beweist: Auf Freiwilligkeit kann man in diesem Land echt nicht setzen. Verbot und Strafe, nur so funktioniert die deutsche Seele, ob uns das gefällt oder nicht. Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Eigenverantwortung? Einsicht? Mitdenken? Ham wa nich.
Die Trottel-Hölle
Apropos “denken ham wa nich”. Ein besonderer Platz im heißesten Verlies der Trottel-Hölle ist für die Torfnasen reserviert, die ohne Maske dicht gedrängt demonstrieren, hanebüchene Unwahrheiten verbreiten und — während sie diese beiden Dinge tun — behaupten, sie wären in ihren Grundrechten eingeschränkt und dürften ihren Meinung nicht sagen. Und mit ihrem Verhalten vorsätzlich die zweite Infektionswelle anfeuern, die wiederum Maßnahmen nach sich zieht, die sie dann wieder lautstark beklagen. Ächz.
Und jetzt? Noch schnell täglich in den Biergarten, bevor die nächsten Einschränkungen kommen? Den Masken-Sheriff im dm spielen? Meinem fast nicht mehr zu bändigenden inneren Impuls folgen und wildfremde Menschen ohne Masken durchschütteln? Will ich solche Leute anfassen? Ich fange erst einmal mit Klopapier und Hefe bunkern an.