Stubenarrest 2.0
Die ersten Wochen mit Corona-Lockdown sind rum und ich horche in mich hinein und frage mich, wie und wo mich diese merkwürdige Zeit verändert hat. Mein Mann und ich sind im Homeoffice, das Kind lernt im Homeschooling und den Rest der Zeit verbringt die gesamte Familie mit Homerumhänging.
Es wird eng mit dem Datenfluss
Mein Mann und ich arbeiten im IT-Bereich, das arbeiten von zuhause ist erfreulicherweise kein Problem, wenn ich von unserer mauen Internetverbindung mal absehe. Wenn wir beide in einer Videokonferenz sind und das Kind vor Netflix geparkt wird, kann es schon mal eng werden mit dem Datenfluss.
Homeschooling heißt in unserem Fall, dass von der Schule ausgegebene Zettel abgearbeitet werden. So richtig wie früher mit Bleistift und Papier. Digitales Lernen? Ham wa nich. Kontakt zur Lehrerin gibt es nur über überraschende Anrufe mit unterdrückter Nummer. Nachdem ich den Mangel an Kommunikation vehement und oft genug beklagt habe, hat sich die Lehrerin zumindest eine Mailadresse extra für die Corona-Zeit zugelegt. Hurra!
Ohne Schule, Hort und Freunde
Das Homerumhänging belastet uns am meisten. Ein siebenjähriges Quasi-Einzelkind in der Stadt ohne Spielplatz zu bespaßen, das dazu noch ohne Schule, Hort und Freunde dasteht, ist schon eine Herausforderung. Zum Glück sind die Parks geöffnet (anders als in vielen anderen Ländern, wo es tatsächlich so etwas wie eine Ausgangssperre gibt. Und wo sich die Leute nicht wie in Berlin noch frei bewegen können, ihr Heulsusen). Und wir haben das Tischtennis spielen im Park für uns entdeckt. Wir schaffen alle paar Tage einen Ballwechsel mehr. Einer der wenigen Bereiche in unseren Alltag, wo ich das Gefühl habe, es geht voran.
Im Flow vom Kind
Interessanterweise erlebe ich beim Tischtennisspielen, was für spannende Dinge passieren, wenn ich mich in den Flow des Kindes begebe. Ich bin ehrlich, anfangs hatte ich wenig Lust. Ich bin inzwischen fast komplett im Sofamodus angekommen. Außerdem bestanden unsere ersten Ausflüge an die Tischtennisplatte vor allem darin, dass ich mich minütlich nach dem Ball bücken musste. Aber allem Widerwillen zum Trotz war da etwas, das sich gut angefühlt hat.
Reise zurück in meine Kindheit
Es kamen Erinnerungen hoch, wie ich als Kind Tischtennis gespielt habe. Bei uns im Dorf gab es eine zeitlang offenes Tischtennis spielen in der kleinen alten Turnhalle hinter der Kirche. Ein älterer Mann aus dem Dorf — im SPD-Ortsverein, Gewerkschaftler, Kinder aus dem Haus — hat das damals angeboten. Ich kann mich nicht erinnern, ob das vom Sportverein aus war oder einfach unter dem Motto lief “Die Kinder müssen weg von der Straße und Herr Kruse hat Zeit”. Auf jeden Fall bin ich da öfter gewesen. Während ich im Otto-Park zum x‑ten Mal dem hüpfenden Ball hinterherlaufe, reise ich in Gedanken zurück in mein Dorf in Angeln. Höre das Klackern der Tischtennisbälle auf den Platten und das Knarzen vom dunklen Turnhallenparkett. Ich habe sogar den sauren Geruch vom speckigen Leder der Turnkästen in der Nase. Ich war damals vielleicht zehn oder elf Jahre alt. Und hatte Spaß dabei. Merkwürdig, wie ich das komplett vergessen habe.
Und so komme ich an der Tischtennisplatte im Otto-Park zu meiner ersten Lehre aus dem Corona-Lockdown: Begebe dich in den Flow deines Kindes, und wenn du Glück hast, kommt dein inneres Kind auf einen Besuch vorbei. Eigentlich wollte ich ja wieder mit Yoga anfangen und den alten Küchentisch abschleifen. Aber das muss wohl noch warten. Als nächstes Projekt steht ein Drache aus Eierkarton und Pappmaché an.
Stay tuned.